Unter dem Motto „Laune der Natour“ waren die Toten Hosen von 2017 bis 2018 auf Tour. Von jedem verkauften Ticket ging ein kleiner Betrag an atmosfair und unterstützte unser Klimaschutzprojekt „Stromerzeugung aus Ernteresten“ in Tonk, im indischen Bundesstaat Rajasthan.

Peter Stahlhofen, langjähriger Mitarbeiter und Freund der Band, lebt seit vielen Jahren in Indien und hat unser Projekt in Tonk für die Band besucht, wie auch die Hosen auf ihrer Website berichten. Im Interview berichtet er von seinen Erfahrungen und Eindrücken.

Peter Stahlhofen, Freund und Mitarbeiter der Toten Hosen, bei der Senfernte in Tonk

Peter, was hast Du gedacht, als die Band Dich gebeten hat, unser Projekt in Rajasthan zu besuchen?

 

Peter: Natürlich wollte ich das, keine Frage! Während der Tour habe ich am Rande wahrgenommen, dass die Band mit einem kleinen Betrag aus dem Verkauf der Tickets atmosfair unterstützt. Wirklich interessiert habe ich mich aber nicht dafür. Das war mir alles zu abstrakt – „CO2-Reduzierung durch den Ankauf von Klimazertifikaten“. Auf der anderen Seite weiß ich allerdings, dass die Band sich gut überlegt hat, was sie mit ihrer Tour unterstützt, und zu 100 Prozent dahintersteht. Ich dachte mir, dass ich mit Sicherheit etwas lernen kann.

Wie war die Anreise nach Rajasthan?

Peter: Von meinem zu Hause in Goa nach Rajasthan sind es rund 2.000 km. Nachdem ich mir die Homepage von atmosfair angesehen hatte, war klar, dass ich eine Alternative zum Flugzeug in Betracht ziehen sollte. Ich habe mich für den Zug entschieden.

Und was war Dein Eindruck von unserem Projekt?

Peter: Nach allem was ich in den knapp 2 Wochen vor Ort gesehen und gelernt habe, bin ich der Überzeugung, dass dieses Projekt Sinn macht, dass es eine Win-Win-Situation geschaffen hat. Die Umwelt wird entlastet und gleichzeitig wird die Lebensqualität von tausenden von Menschen maßgeblich und direkt verbessert. Das alles war und ist nur möglich, weil Fachleute aus den Industrienationen und aus den industriell weniger entwickelten Ländern im globalen Süden sich unter dem Mantel der UN zusammengesetzt und die Rahmenbedingungen für solche Projekte geschaffen haben.

Peter im Kontrollraum des Biomassekraftwerks in Tonk

Was hat Dich besonders beeindruckt?

 

Peter: Das erste, was mich völlig beeindruckt hat, sind die Dimensionen. Ein Großteil der Bevölkerung in Rajasthan lebt von der Landwirtschaft. Das Klima ist sehr trocken, und die in Indien beliebte Senfpflanze wächst gut auf dem kargen Boden. Auch ich benutze zum Kochen und Würzen oft Senfkörner und auch Senföl, hatte aber bis zu meinem Besuch in Rajasthan überhaupt keine Vorstellung davon, in welch riesigen Mengen diese kleinen Senfkörner angebaut werden. Die Erntezeit beginnt im März und Anfang April. Genau in der Zeit, in der ich vor Ort war, werden die Erntereste im Kraftwerk angeliefert, eingelagert und dann über das ganze Jahr hinweg verfeuert.

Dann hat mich beeindruckt, wie professionell diese Anlage in technischer Hinsicht gehandhabt wird. Alle arbeiten mit Herz und Verstand für dieses Projekt und sind stolz darauf. Schließlich war für mich beeindruckend zu sehen, wie das Projekt die Lebenssituation der lokalen Bevölkerung verbessert.

Kannst Du uns das noch einmal genauer erläutern?

Peter: Zum einen arbeiten in der Anlage lokale Fachkräfte für faire Bezahlung. Zum anderen können Bauern aus der Region ihre Ernteabfälle an die Anlage verkaufen.

Ich habe während meines Aufenthalts eine Farm besucht, um mir ein Bild von den Lebensumständen einer Bauernfamilie zu machen. Um das ganz klar zu sagen: Die Familien sind arm, und die zusätzlichen Einnahmen aus dem Verkauf der Erntereste können über ihre Existenz entscheiden – darüber, ob sie auf dem Land bleiben oder in die Slums der Megastädte abwandern müssen.

Kennenlernen mit einem Senfbauern in Tonk

Du warst mehrere Tage vor Ort und hast dir nicht nur das Biomassekraftwerk angeschaut?

 

Peter: Vor meiner Reise sagte mir atmosfair, dass sie mit der lokalen Betreiberfirma KPTL in den Anfangsjahren ihrer Zusammenarbeit vertraglich festgelegt hatten, dass ein Teil der von atmosfair gezahlten Förderung in soziale Einrichtungen vor Ort zu investieren sind. Mittlerweile gibt es keine vertragliche Regelung mehr, weil die Quote von KPTL meist sowieso übererfüllt wurde. Ich habe zwei von KPTL geförderte Dorfschulen besucht.

Die erste Schule war eine Schule für Jungen und Mädchen. Es ist in Rajasthan nicht selbstverständlich, seine Kinder zur Schule zu schicken. Eine generelle Schulpflicht besteht nicht, und Geld für die Ausstattung von Schulen gibt es theoretisch, aber in der Praxis kommt in einem entlegenen Dorf in Rajasthan davon nichts bis sehr wenig an. Deshalb können schon kleine Dinge viel bewegen. Die erste Schule wurde u.a. mit Tischen und Bänken ausgestattet, sodass der Unterricht nicht mehr auf dem Boden stattfinden muss.

Die zweite Schule war eine Mädchenschule. Hier durfte ich eine neue Trinkwasserfilteranlage einweihen, die das Wasser auch noch kühlt. Bei über 40 Grad im Sommer ein wahrer Segen. Vor Kurzem wurde für die jungen Frauen auch eine Verbrennungsvorrichtung für die Monatsbinden gebaut, sodass die Monatsbinden jetzt sicher, hygienisch und ohne Scham entsorgt werden können – kleine Dinge mit großer Wirkung und nur möglich, wenn man den Menschen vor Ort zuhört.

Mädchen an einer Schule, die vom atmosfair-Projektpartner KPTL unterstützt wird

Was ist dein Fazit aus dieser Reise?

 

Peter: Ich bin überzeugt, dass die Band wieder einmal eine richtige Entscheidung getroffen hat, indem sie atmosfair und dieses spezielle Projekt in Rajasthan unterstützt hat. Ich konnte sehen, dass das Geld, das die Band an atmosfair gespendet hat, einen Unterschied macht – für das Klima und für die Menschen vor Ort.

Vielen Dank Peter, für dieses Interview! Wir freuen uns sehr, dass Du und die Band von unserem Klimaschutzprojekt in Tonk überzeugt seid, und hoffen, dass wir die Toten Hosen auch in Zukunft wieder als Unterstützer gewinnen können.

Peter und atmosfair-Projektpartner Hitesh Goyal mit Bäuerinnen